astrid nippoldt 的艺术
发起人:黑又亮  回复数:21   浏览数:2847   最后更新:2010/05/09 02:04:37 by 黑又亮
[楼主] 黑又亮 2010-05-09 01:36:39

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[板凳:2楼] 黑又亮 2010-05-09 01:40:50



Getaway Inn (Villa Massimo project) 2006/07

Getaway Inn
a series of videos and photographs

Die Bildwirklichkeit von Astrid Nippoldts neuem Arbeitszyklus “Getaway Inn” oszilliert zwischen der unschuldigen Faszination am Glamour einer fremdem Welt, dem voyeuristischen Blick des Paparazzi, aber auch dem der kritisch-distanzierten Beobachterin mit detektivischem Blick, der dem „Wahren“ hinter der Fassade und der Inszenierung nachspürt, das in manchen unbeobachteten Augenblicken aufzublitzen vermag.
Ursprünglich Videoaufzeichnung, sind die gezeigten Fotos durch mehrfaches Übertragen von Projektion, Fotografie, Dia und Abzug nicht mehr eindeutig einem Medium zuzusprechen. Spuren wie schwarze Ränder und mit abgelichtete Fotoecken zeugen von wiederholter Aneignung und lassen den Bildern ihre skizzenhafte Rohheit. Fast wirken sie wie Arbeitsmaterialien eines prozesshaften Suchvorgangs. Diese Bilder hinterlassen Zweifel an der Augenzeugenschaft, weder sind sie eindeutige Montagen noch Resultate gestellter Situationen.
Der in der Ausstellung „Getaway Inn“ gezeigte neue Arbeitszyklus von Astrid Nippoldt, Jahrgang 1973, entstand während ihres Stipendienaufenthaltes in Rom im vergangenen Jahr. Er beruht auf Observierungen von Ereignissen und Geschehnissen im „Vorgarten“ ihres Ateliers, nämlich im Park der Villa Massimo, der zu speziellen Anlässen wie etwa der Verleihung des Golden Globe, Premierenfeiern, Modenschauen oder aber auch der Präsentation neuer Automodelle vermietet wurde. Die Ausstellung richtet in Form von Video- und Fotoarbeiten den Blick auf die Bedrängnisse an den dunklen Rändern des Scheinwerferlichts innerhalb der Selbstinszenierung einer gesellschaftlich-kulturellen Elite.
Astrid Nippoldt spielt verführerisch und aufklärerisch zugleich mit dem Sujet der Dokumentation und der Fiktion, mit dem Fake an der Reportage, der Aneignung fremder Bilder und der Erwartung eines kinematografisch geprägten Betrachters. Die Überbelichtung und das gleißende Licht dienen wie schon in früheren Arbeiten (Notre Dame, 2002, The Serendip Stadium, 2003/04) nicht nur der Erhellung, Beleuchtung oder Erkenntnis, sondern bilden scheinbar gegensätzlich den Moment des Entschwindens des Sichtbaren.

Frauke Ellßel (Pressetext zur Ausstellung Getaway Inn, Galerie Olaf Stüber, Berlin, 05/2007)
[地板:3楼] 黑又亮 2010-05-09 01:44:15


[4楼] 黑又亮 2010-05-09 01:45:10


[5楼] 黑又亮 2010-05-09 01:46:26




Grutas
digital video on DVD, 5'00 / 2'30 / 1'35, 4:3
ed. 5 + 2 AP

Abrechnung mit dem Absoluten oder die Moskitos der Mnemosyne -- Astrid Nippoldts Videotrilogie „Grutas“, 2006
Von Mirjam Schaub

„Den bängsten Traum begleitet/ Ein heimliches Gefühl,/ Daß alles nichts bedeutet / Und wär’ es noch so schwül.“ (Hebbel)
Malinauskas’ Grutas
Grutas ist ein litauisches Dorf, eine Stunde südöstlich der Hauptstadt Vilnius im Wald gelegen, reich an Birken und Nadelhölzern. Der Boden duftet sandig, ideal für Pilze, die in Windeseile ihre Rhizome unter der Erde verbreiten. Wer hier im Herbst mit seinem Korb losschnürt, wird erstaunt sein, plötzlich auf Vladimir Illich Lenin zu stoßen, überlebensgroß, auf einem Sockel sitzend. Sein Blick geht über die Lichtung, spendet ihr Väterlichkeit und Entschlossenheit zu gleichen Teilen. Gerade sitzt er vor einer vergleichsweise krummen Birkengruppe, den linken Arm auf ein zugeschlagenes Buch gestützt. Wir sind versucht, ihm daraus vorzulesen: „Wie (...) Ideologen melden“, hat Litauen (oder war es Deutschland?) „in den letzten Jahren eine Umwälzung ohnegleichen durchgemacht. Der Verwesungsprozeß des Hegelschen Systems, (...) hat sich zu einer Weltgärung entwickelt, in welche alle ‘Mächte der Vergangenheit’ hineingerissen sind. (...) In dem allgemeinen Chaos haben sich gewaltige Reiche gebildet, um alsbald wieder unterzugehen, sind Heroen momentan aufgetaucht, um von kühneren und mächtigeren Nebenbuhlern wieder in die Finsternis zurückgeschleudert zu werden. (...) Es handelt sich allerdings um ein interessantes Ereignis: um den Verfaulungsprozeß des absoluten Geistes.
So beginnen Marx und Engels 1846 ihre Schmähschrift über die Deutsche Ideologie – gemeint sind die Philosophien von Hegel, Feuerbach und Stirner, die sich der Kategorie der gesellschaftlichen Verhältnisse beharrlich verweigerten. Marxens und Engels ätzende Polemik könnte gut zutreffen auf das Geschehen, das Grutas gegenwärtig zu einem der merkwürdigsten Orte des alten Ostblocks macht. Die neuerliche Abrechnung mit dem einstigen Absoluten, zieht Astrid Nippoldt an, zumal diese mit abenteuerlichen ästhetischen Mitteln daherkommt:
66 Statuen, Reliefs, Büsten, Kolossalstandbilder, manche 75 Tonnen schwer, enthauptete, entbeinte, zerkratzte, mit Farbbeuteln beworfene Schergen der kommunistischen Revolution sind in Grutas zusammengekommen, Puppen für Ideologen und andere Riesen, geliebt, weggeworfen und wieder geflickt. Astrid Nippoldts Streifzug durch Grutas beginnt in diesem politischen Märchenmischwald, der die gängigen Kategorien – ästhetisch wertvoll/wertlos, politisch harmlos/gefährlich – durcheinanderwirbelt. Das Gefälle aus vergangener und aktueller Bewertung, die Ambivalenz des Betrachters und die Schieflage aus Inszenierungswillen und -unvermögen, ist für Nippoldt der ideale Ausgangspunkt für ihre eigenen Interventionen: Ungezählte Geschwisterklone, Marxe, Engelse und Lenine finden sich hier in der Entrückung des revolutionären Moments synchronisiert; in grotesker Bürgerlichkeit, mit Unterrock, Wams und stets in festen Schuhen in Bronze gegossen und nun der freien Wildbahn ausgesetzt, das in die Vervielfachung getriebene und transzendental obdachlos gewordene Dreigestirn des Kommunismus.
Die Rettung des Verfemten verdankt sich dem eigentümlichen Geschichtssinn eines Litauers, der mit Pilzen reich geworden ist, bevor es ihm gefiel, ein Vermögen in ein Asyl für politisch verfolgte Skulpturen zu stecken. (Angeblich, um so der Opfer von Gewalt und Terror durch die Kommunisten zu gedenken.) Viliumas Malinauskas, der Herr über Grutas, hat einem Ort gesucht, der landschaftlich Sibirien gleicht, als Menetekel für die Skulpturen selbst, deren ästhetisches Gnadenbrot den Beigeschmack von Blut und Zwangsarbeit erhalten sollte. Damit das auch niemandem entgeht, hat er in regelmäßigen Abständen Wachttürme am Waldesrand aufstellen lassen: Die Dauerbeschallung vom Hochsitz herunter mit sowjetischen Schnulzen („Wolga Wolga“, „Moskauer Nächte“), deren Propagandawirkung immer schon überschätzt wurde, schafft nach anfänglicher Irritation rasch wieder traute Beschaulichkeit. Ein fröhliches Lied tut dem Herzen gut, es wird Dir nie zu viel.
Die gutdialektische Aufhebung der Bedeutungen, die Rettung des politisch Verfemten und ästhetisch Verworfenen durch die unfreiwillig umerzieherisch wirkende Verbannung in scheinbar wildwüchsiges Terrain, schafft die Gratwanderung nur bei schlechten Witterungsverhältnissen, bei guten entpuppt sie sich als symbolischer Kollaps. Nicht nur der Wald kodiert die Skulpturen neu (so schön kann also Naturalismus sein!), sondern auch die an jeder Wegesecke postierten Skulpturen trotzen in ihrer Monumentalität dem anschmiegsamen, biegsamen Wald. Die Abrechnung mit dem Absoluten ist hier stilsicher zwischen Good-Will-Demonstration und Geschichtsvergessenheit angesiedelt.

Nippoldts Grutas-Trilogie
Astrid Nippoldt hat sich mit ihrer Kamera eher zufällig, der Neugierde folgend nach Grutas verirrt. Und sie fand, was ihr Werk auszeichnet und sich vielleicht am Bündigsten in ihrem Video „Concorde“ (2005) zeigt, eine Schieflage, die sich gerade aus der Entschiedenheit einer vorgegebenen politisch-ästhetischen Inszenierung ergibt. Nippoldts Zugriff auf den Ort mit seinen widerstreitenden Sinnangeboten ist auf den ersten Blick beiläufig, unaufgeregt, unspektakulär. Ähnlich wie bei einem endoskopischen Eingriff bleiben äußerlich kaum Spuren zurück. Nippoldt bewegt sich wie eine Unsichtbare durch das verminte Terrain. (Daß man sie später doch einmal zu Gesicht bekommt, ändert daran nichts.) Denn von innen betrachtet haben sich die Gewichte verschoben.

„Lenins Schoß“
beginnt damit, daß eine Passantin in Nippoldts Bild hineinläuft, geradewegs auf den sitzenden Lenin zu. Ihr Ziel ist klar, sie will auf seinen Schoß. Also versucht sie, den Sockel, auf dem er sitzt, zu erklimmen. Das ist gar nicht so einfach. Sie stellt sich ungeschickt an (sie hat so etwas seit Kindertagen nicht mehr gemacht), zumal in leicht beschleunigter Bewegung, was der Szene etwas Stummfilm- und Slapstickhaftes gibt. Sie bekommt Hilfestellung durch einen Hinzueilenden, der auch nicht mehr genau weiß, wie eine Räuberleiter geht. Auf dem Sockel angelangt, zieht die Frau ihre Schuhe aus. Die Sonne trifft durch das Blätterdach hindurch genau in die Linse, ein Lichtblitz blendet, dann geht’s weiter hinauf auf den Schoß. Lenins Blick geht weiter über die Lichtung. Ein Königreich für seinen Gedanken, die wie stumme Sprechblasen – willkommene Lichtreflexe auch sie – über seiner Schläfe schweben. Lenin nimmt keinen Anstoß daran, daß sich die Besucherin an den Wamsfalten über seinem Bauch abstützt, bevor sie sich – nicht ohne ihre Sonnenbrille! – fürs Familienalbum in Pose wirft. (Die Pose einer Posierenden auf dem Schoß eines Posierenden.) Dabei ist Lenin viel cooler als die Frau. Kaum ist das Photo geschossen, ist die Legitimation für die mädchenhafte Überschreitung dahin. Die Frau macht sich an den Abstieg, der mit Hilfe der Hinzugeeilten gelingt. Wie ein Reh springt sie dann, sich die Hände abklopfend, aus dem Bild.

„Grutas“
beginnt mit einem Schwenk durch einen Maschendraht. Ein Haus gerät in den Blick und aus ihm heraus. Das Kameraauge trifft auf einen Springbrunnen, in dessen Wasserpartikeln es sich für einen Moment verliert. Das Bild ist nun farbig, der Maschendraht vergessen. Der Springbrunnen wird später abgelöst werden durch eine andere Berieselungsanlage, die akustische Dauerbeschallung durch die Wachttürme. Die Kamera zoomt sich fest, zeigt den Kinderspielplatz, auf dem sich traumverloren eine Mutter und ihr halbwüchsiger Sohn auf einem Autoreifen drehen. Vielleicht ist es ja die Utopie vom glücklichen Leben aller, welche die schlimmsten Ideologien gebiert. Die Vergnügungskulisse mit ihren russischen Weisen wird durch zwei schneidende Stimmen aus dem Off zerrissen. Ein Kind bettelt: „Lieber, lieber Zauberer, zaubere doch mir...“ – „Ja, was denn?“ – „Ein Schloß wie das vom Dornröschen, mit vielen Türmen.“ Darauf die Männerstimme – ist das nicht Gert Fröbe? – im Tonfall größten Bedauerns: „Onhh, nicht heute, vielleicht morgen.“
Unwillkürlich fühlt man sich erinnert an einen Film mit Heinz Rühmann. In Es geschah am helllichten Tag (D/CH, 1958, nach dem Roman „Das Versprechen“ von F. Dürrenmatt) ist er als Kommissar Matthäi einem Kindermörder auf der Spur. Als der sich nicht freiwillig zeigt, sucht er sich ein Kind als Lockvogel. Es kommt zum Show-Down. Unvergessen die Szene, in der sich Gert Fröbe in einem graubündener Waldstück dem Mädchen nähert, den schwarzen Mantel öffnet und in einer vollendet eleganten Geste einen Kasperl am Mantelrand zur Erscheinung bringt, der sich artig verbeugt, bevor er zu sprechen beginnt.
Anders als das Gedudele der Wachttürme, sind die beiden deutschen Stimmen plötzlich irritierend nah, auf Körperhöhe des Betrachters. Onhh, nicht heute, vielleicht morgen – ist das nicht das Versprechen der Utopie, ganz nah und doch ganz fern zu sein? Utopie – die genaue Verkehrung der benjaminschen Aura, kein Gespinst aus Zeit und Raum, sondern das Versprechen von Nähe, so fern sie auch sein mag. Ihre klebrige, schwere Süße – süßer noch als die Schokoladenigel mit gespickten Mandeln, die Fröbe dem Kind mitbringt – dringt in die Vorstellungswelt des Betrachters ein, lädt das Gesehene mit körpernahen Versprechungen auf: Ich mache Dich erwachsen, bestimmt, wenn nicht heute, dann morgen.
Während sich eigene Erinnerungsfetzen an den Film über die Schwenks entlang der Wachtturmreihe legen, findet eine narrative Rückübertragung statt, verkehrt sich die Utopie des Kindes, die Sehnsucht nach einem Gefährten, der es versteht, in das Gefühl von Bedrohung und Lebensgefahr. Es sieht aus, als würde sich in den Wachttürmen ein Schatten bewegen, auch wenn das nur eine Täuschung geschärfter Ohren ist.
Und dann – plötzlich – ein markerschütternder Schrei. Aus nächster Nähe fasst er einen an. Es ist Gert Fröbe. Und wer den Film kennt, weiß um die grausige Wahrheit, die diesen Schrei auslöst, der eher ein Gebrüll ist, direkt herauf vom komplizierten Grund der Dinge. Fröbe schreit, als er am verabredeten Ort zu versprochener Zeit nicht sein Mädchen findet, sondern ein Kind liegen sieht, auf dem Bauch, die Arme verrenkt. Offenbar ist ihm jemand zuvorgekommen. Doch noch ist es eine Tat ohne Opfer. In der Grube liegt zwischen all dem Laubwerk nur eine Schaufensterpuppe. Was ist geschehen? Wer erlaubt es sich, einen Zauberer zu entzaubern? Wer wagt es, mit einem Triebtäter zu spaßen, indem er ihm das Opfer vor der Nase wegnimmt?

Was passiert, wenn Nippoldt Fröbes Schrei nach Grutas entführt und dort im Wald aussetzt? Darf man mit Skulpturen spaßen, inmitten einer pädagogisch zweifelhaften, auf Abstreckung zielenden und am Ziel vorbeigehenden Inszenierung? Natürlich darf man. Man muß sogar. Und Astrid Nippoldt tut es gerne und sie tut es gut. Auf Fröbes Schrei folgt ein Bild, das mehr als jedes andere im Gedächtnis bleibt, weil der Schrei in seiner spür- und hörbaren Ambivalenz, in seiner Ratlosigkeit und Bestürzung ihm den Boden bereitet: Das nächste Bild, das ist ein riesiger Karl Marx. Und weil die Stimmen des Films Echos auszubilden beginnen, nach visueller Beute suchen, gerät auch der bronzene Marx plötzlich zu einer Attrappe; ein Spielzeug, das ernstmacht, ein Lockvogel für etwas Ungeheuerliches, was das Bild allein weder einholt noch abdeckt, sondern nun seinerseits von ihm eingeholt wird. Nähe und Ferne, Utopie und Ideologie verkeilen sich im unsichtbaren Zwischenraum zwischen Bild und Ton zu einem Duell mit offenem Ausgang.

„Adele“
heißt mit vollem Namen Adele Siauciunaite, eine kommunistische Schriftstellerin aus Litauen (1914-1938), die hierzulande niemand kennt. Sie scheint direkt aus dem Wald zu kommen, schlank und schön. Ihr Haar trägt sie kurz und modern, in ihrem Nacken bauscht sich ihr bodenlanges Gewand wie eine Hochzeitsscherpe im vollen Wind. Ihr Dekolleté glänzt in der Sonne. Kerzengerade hält sie das Tuch, der linke Arm ist zurückgelegt, sie blickt zur Seite. In beachtlicher Ferne hat Nippoldt diesmal ihre Kamera aufgebaut. Weil zunächst nichts weiter geschieht, wird der Zuschauer (der gerne mehr von Adele sähe) rasch nervös. Vor dem Objektiv schwirren Stechmücken. Ein Ton liegt in der Luft, der wie Wind, eingefangen in einem metallischen Blasrohr klingt. Bzz, bzzz, bzzzz. So geht es eine Weile. Dann schlägt eine Hand durchs Bild, unwillig geworden, wütend. Nippoldt verlässt den Posten hinter der Kamera. Sie läuft dicht an der Linse vorbei, hinein in den Moskitoschwarm, den Kopf gesenkt, die Hände flatternd, vor dem Gesicht und auf der Höhe der Ohren. Ob es darum geht, die Sicht auf Adele freizukriegen, nicht gestochen zu werden, oder darum, endlich das tyrannische Geräusch loszuwerden, das die Luft zerschneidet, bleibt dem Urteil des Betrachters überlassen.

Und die Moskitos? Die schert das wenig. Sie stehen hartnäckig vor der schönen, winderprobten Adele, und bilden, wie, um sie zu beschützen, eine bodennahe Streitwolke aus Angriffslust und Gleichgültigkeit gegenüber ihren Opfern. Fast scheint es, als kämen hier griechische Halbgöttinnen zusammen, um ein schlagkräftiges Duo zu bilden; als träfen sich auf dieser Lichtung die Rachegöttinnen, die Erinnyen mit ihrem Gegenteil, mit Mnemosyne, der Göttin der Erinnerung und Mutter der Musen zu einem Stelldichtein.
Adele mit ihrem wehenden Gewand und dem seitlich abgewandten Blick – gemessen an den gängigen Darstellungen auf griechischen Vasen ist sie keine schlechte Mnemosyne-Darstellerin. In würdevoller Strenge trotzt sie aller Bewegtheit um sich herum. Doch zwischen einer Versenkung, die Ruhe, Einsicht und Muße für Neues schafft, und einer Erinnerung, die schmerzt, beißt und das Denken lähmt, liegt ein schmaler Grat an einem Ort wie Grutas. Vielleicht sind es auch die Moskitos der Mnemosyne, die sich von Nippoldt nicht abschütteln und nicht vertreiben lassen, sondern hartnäckig ihr Ziel verfolgen und am Ende immer gewinnen. Die Moskitos von Grutas rasten nicht. Wer nach ihnen schlägt, lockt sie an. „Ich weiß nicht, was heute in die Fliegen gefahren ist: sie sind rein toll“, lässt der Erinnyenliebhaber Jean-Paul Sartre in Les Mouches (Die Fliegen) einen Soldaten sagen. Worauf ein zweiter entgegnet: „Ich wage nicht mehr zu gähnen, so sehr ist in mir die Angst, daß sie mir ins offene Maul fallen und zuunterst in meiner Kehle einen Tanz aufführen“.

Die Fliegen
Zuunterst einen Tanz in der Kehle aufführen, genauso klingt er, jener nicht mehr natürlich zu nennende Summton, den Nippoldt über die Szenerie gelegt hat und der mit seinem synthetischen Klang in den Londoner Clubs Furore machen kann. Ausgefallene Sounds in unwirklicher Lage sind Nippoldts Spezialität. (In ihrem Video „Bloop“ (2004) ist es das Urknallrauschen der Meere, das die Sonare und Sinne verwirrt, in „wy o ming“ (2002) die Musik aus Der mit dem Wolf tanzt, die plötzlich den aus dem Zug gefilmten Baumspitzen den richtigen Speed verpasst.) Wir erfahren, daß das Geräusch von einer einzelnen Fliege stammt, gefangen in einem Glas, allein mit einem Mikrophon. Wenn die Aufgabe der Philosophie seit Wittgenstein darin besteht, der Fliege den Weg aus dem Fliegenglas zu weisen, darf man von der Kunst danach verlangen, ihr immer wieder den Weg hinein zu zeigen.
Nippoldts Arbeiten sind intrigant und intrikat. Weil die visuelle Oberfläche so unspektakulär ist, kann sich die Neujustierung von Off-Stimmen, eingeschmuggelten Klängen und Tönen unterhalb der Schwelle der Sichtbaren umso lustvoller ausbreiten. Ein Ort, der so tiefe Ambivalenz ausstrahlt wie Grutas, ein Platz, an dem inszenatorischer Wille, pädagogischer Eros und historischer Ballast so widerstreitende Interessen pflegen, an dem Natur und Ästhetik am Ende die Rollen tauschen, so daß die Ästhetik natürlich und die Natur ideologisch wird, ist jede neuerliche künstlerische Intervention mit Risiken behaftet. Umsichtig und furchtlos bewegt sich Nippoldt auf dem semantisch, ästhetisch und politisch verminten Terrain. Da, wo alles übercodiert ist, wie schafft man da Sinn?
Nippoldts Dramaturgie ist die der schleichenden Verunsicherung. In allen drei Arbeiten fängt es wie eine schlichte Dokumentation des Gegebenen an, doch dann entgleitet ihr das Genre unter der Hand, unwillig und unwirsch mischt sich in den Vordergrund, was eigentlich im Hintergrund bleiben sollte: Mal ist es der inszenatorische Wille der Passanten, mal die Aufdringlichkeit der Fliegen, mal der unabweisbare Streich des unwillkürlichen (visuellen und akustischen) Gedächtnisses. Erkennbar liegt Nippoldt der offene Ausgang, der verpatzte oder verpasste Höhepunkt in einer Zeit der Superlative, die so utopielos ist, daß sie von einer neuen Ideologie regiert wird: Wer-immer-strebend-sich-bemüht-den-können-wir– na, was? Erlösen?!


An Examination of the Absolute, or, The Mosquitoes of Mnemosyne “Grutas”, a video trilogy by Astrid Nippoldt
by Mirjam Schaub

“Den bängsten Traum begleitet/ Ein heimliches Gefühl, Daß alles nichts bedeutet / Und wär es noch so schwül.” (Hebbel)
The Grutas of Malinauskas
Grutas is a Lithuanian town an hour southeast of the capital Vilnius, immersed in a wood of birch trees and conifers. The sandy-smelling soil is ideal for mushrooms that propagate their rhizomes underground, as fast as the wind. Anyone wandering through the woods in the autumn, basket in hand, will be surprised to run into a gigantic Vladimir Ilyich Lenin, seated on a pedestal. His gaze stretches across the clearing, proffering equal amounts of paternal sentiment and energetic determination. He sits upright in front of comparatively curved birch trees, his left arm resting on a closed book. One is strongly tempted to open it and read it to him aloud: “According to some ideologues (…)” Lithuania (or was it Germany?)“ in the last few years has gone through an unparalleled revolution. The decomposition of the Hegelian philosophy, (…) has developed into a universal ferment into which all the ‘powers of the past’ are swept. In the general chaos mighty empires have risen only to meet with immediate demise, heroes have entered the scene only to be hurled back into obscurity by bolder and stronger rivals. (…) Certainly it is an interesting event we are dealing with: the putrescence of the absolute spirit.”
These are the opening words of Marx and Engels in their critique of The German Ideology of 1846, referring to the philosophies of Hegel, Feuerbach and Stirner, who insisted on denying social stratification. The caustic polemic of Marx and Engels could well be applied to that sequence of events that has brought Grutas today to become one of the most curious and surprising places of the old Eastern Bloc. It is this recent confrontation with the once-absolute that fascinates Astrid Nippoldt, finding tangible form through such bizarre aesthetic means:
Grutas holds 66 statues, reliefs, busts, colossuses, some weighing as much as 75 tons, detritus of the Communist revolution without head or legs, covered with scratches and paint, puppets for ideologues and other giants, beloved, tossed aside and then newly mended. The incursion of Astrid Nippoldt through Grutas begins in this political-fairy tale forest that jumbles the current categories of the aesthetically prized/despised, the politically inoffensive/dangerous. The gap between current and past values attributed to the sculptures, the uncertainty of the foreign spectator and the imbalance between political desire and aesthetic ability to enact are the ideal starting point for Nippoldt’s own interventions: countless clones of Marx, Engels and Lenin are synchronized here in removing the revolutionary moment. With an air of grotesque bourgeoisie, with petticoats, waistcoats and solid bronze shoes, the triad of communism, now exposed to the open hunting-ground, is sentenced to multiplication unprotected by any transcendental shelter. The salvation of the condemned is due to the peculiar historical sense of a Lithuanian who, after finding fortune in selling mushrooms, invested his wealth in creating an asylum for politically persecuted sculptures (presumably with the purpose of rendering homage to the victims of violence and terror perpetrated by Communism). Viliumas Malinauskas, the owner of Grutas, sought a place that resembled the Siberian landscape, an enigmatic warning for the sculptures, whose hideaway had to acquire an aftertaste of blood and forced labor. So that this fact would escape no one, he had guard towers built at regular intervals along the edge of the forest. Once the initial annoyance subsides, the continuous broadcasting of Soviet tearjerkers (“Volga Volga,” “Moscow Nights”), whose propagandistic effects have always been overestimated, produces a sense of quiet intimacy. A cheerful song warms your heart, it will never tire you.
The good old dialectical sublation of meanings reappears in the saving of the politically abandoned and aesthetically abject, as its expatriation into the apparently wild land gains involuntarily a re-educational notion. It seems as if the political and aesthetic tightrope only functions in adverse climatic conditions. Once the weather is better, the symbolic collapse is inevitable. Not only does the forest re-encode the sculptures (so lucky is naturalism!), but the sculptures themselves, placed in every corner of the path, challenge the docile, unthreatening forest with their monumental nature. The examination of the Absolute unerringly hunts for a balance amid good intentions and historical oblivion.

Nippoldt’s Trilogy of Grutas
Almost by accident, out of curiosity, Astrid Nippoldt lost herself with her video camera in the Grutas Park. Here, she found what distinguishes her work and that is perhaps most convincingly evident in her video “Concorde” (2005), an imbalance stemming from a pre-constituted political-aesthetic setting. At first glance Nippoldt’s approach to the place with its contradictory meanings appears casual. As in an endoscopic surgery, which rarely leaves scars, Nippoldt moves as though she were invisible through the mined land (the fact that she appears physically for a moment doesn’t change the fact). From an inside viewpoint the weights have shifted.

“Sitting Lenin”
The video begins with a passer-by trying to climb onto a statue in the woods. Her objective is clear: she wants to jump into Lenin’s lap. It’s not easy, however. Her awkward movements (far from the days of childhood climbing) and slightly accelerated speed give the scene an air of silent movies and slapstick. A man, not more skilled than she, comes to her aid. Having finally reached the pedestal, the woman takes off her shoes. The sun peeks through a canopy of leaves and strikes the lens, a sudden blinding ray of light. She continues to climb towards his lap. Lenin’s gaze still stretches over the clearing. A kingdom for his thoughts. Beams of light float like mute dialogue bubbles over his temple. Lenin does not mind that the lady takes hold of the folds of his waistcoat before posing with her sunglasses for the family photo album (a woman posing on the lap of a posed gentleman). Lenin appears much cooler than the woman. As soon as the photograph is taken, the legitimization of her child-like transgression vanishes. The woman starts to climb down as quickly as she can. She then exits the scene like a fawn while shaking the dust off her hands and hooves.

“Grutas”
This piece begins with a panning shot through a metal fence. A house comes into view and then is gone. The camera’s eye rests on a fountain, pausing for a few moments on its water particles. The image is now in color, the metal fence forgotten. The fountain will then be replaced by another “irrigation” system: the irritating broadcasting from the watchtowers. The camera zooms into the playground where a mother is twirling dreamily with her son on a tire suspended from a rope. Perhaps it is the utopia of happiness for every man that brings about the worst ideologies. The playful frame with its Russian melodies is sharpened by two off-screen voices. A child begs insistently: “Dear, dear magician, can you conjure up…” – “Yes, what?” – “A castle like Sleeping Beauty’s, with lots of towers.” The male voice – isn’t that Gert Fröbe? – sounds so very regretful: “Oh, not today, maybe tomorrow.”
The film with Fröbe and Heinz Rühmann comes to mind, "Es geschah am hellichten Tag" (It Happened in Broad Daylight, D/CH, 1958), from the novel Das Versprechen (The Pledge) by Friedrich Dürrenmatt. Rühmann plays the part of the Commissar Matthäi, investigating the murder of a child. Unable to unmask the murderer, he looks for a child to use as bait. The moment of the showdown arrives. Unforgettable is the scene where Gert Fröbe as the villain approaches the little girl in the woods, opens his black coat and, with an elegant flair, pulls out a hand puppet from inside his coat, gives him a graceful bow and makes him speak. Unlike the singsong of the towers, the two German voices are irritatingly close, almost touching the observer’s body. Oh, not today, maybe tomorrow… Is this not perhaps the promise of Utopia, close by or far away? Utopia, the overturning of Benjamin’s aura, not a fabric of time and space but a promise of proximity, distant as it may be. Its sticky sweetness, sweeter than the chocolate truffles with almonds that Fröbe offers the little girl, penetrates into the observer’s imagination and captures his fantasy with promises: I’ll make you grow up, certainly, if not today, then tomorrow.
While the camera’s eye moves along the row of towers, linking to fragments of memories of the film, there is an unexpected twist in the narrative: the utopia of childhood, the nostalgia of an understanding companion dissolve into feelings of threat and danger. It’s as though a quick shadow were moving through the watchtower, though this is only the deception of overly acute senses.
Suddenly a tormented scream scares the wits out of the spectator. It is Gert Fröbe. Those who know the film, know what atrocious truth provoked the scream, which is more of a roar triggered by the turn of events. Fröbe screams when he doesn’t find the girl at the meeting place, but instead a child lying face down with dislocated arms. Someone has obviously arrived before him. It is a victimless crime: it is just a dummy lying among the leaves in the ditch. What happened? Who dares to break the spell of a magus? Who dares to play around with a maniac, stealing his victim from under his nose? What happens when Nippoldt transposes the scream to Grutas, letting it loose in the woods? Can one mess with sculptures right in the middle of a fixed mise-en-scène of dubious pedagogical value, which aims at intimidation and fails? Certainly one can, indeed one must. Astrid Nippoldt does it intentionally and well. Fröbe’s scream is followed by an image that sticks in the memory more than any other, because the scream, with its perceptible and audible ambivalence, its shock and consternation, lays the groundwork for it: the image of a gigantic Karl Marx. And since the voices of the film begin to echo and seek out visual prey, the bronze Marx suddenly becomes a puppet, a too-serious bait for something monstrous which the image alone neither captures nor uncovers—no, it is the image itself that is captured. Near and far, utopia and ideology face one another in the invisible space between image and sound in a duel whose outcome remains uncertain.

“Adele”
Her full name is Adele Siauciunaite, a poet from Lithuania (1914-1938), utterly unknown in Italy and elsewhere. She seems to emerge directly from the forest, tall and beautiful. On her back, the long dress swells with the wind like a wedding gown. Her décolleté glows in the sunlight. She firmly grasps her dress with her right hand, her left arm held slightly back, looking off to one side. Nippoldt has mounted the camera at a considerable distance. Since nothing happens at first, the spectator (who would like to see more of Adele) becomes nervous. Mosquitoes buzz around in front of the lens. There is a sound in the air, like the wind enclosed in a metal blowgun. Bzz, bzzz, bzzzz. The scene doesn’t change for a while. Then a hand appears, waving furiously in annoyance. Nippoldt leaves her position behind the camera to move in front of the lens, into the swarm of mosquitoes, her head down, hands waving in front of her face and at the height of her ears. Whether the aim is to distract attention from Adele, avoid being stung by the insects, or to finally free herself from the oppressive noise that fills the air, is left to the observer’s discretion.
And the mosquitoes? They couldn’t care less. They stubbornly remain in front of the lovely, brave Adele, and form an almost protective war cloud full of aggressiveness and indifference toward its victims. It almost looks like the encounter of two Greek demi-gods who find themselves here to form a powerful dyad, almost as though the goddesses of vengeance, the Erynies, had arranged a tryst in this clearing with their mythological counterpart, Mnemosyne, goddess of memory and mother of the Muse.
With her robe blown by the wind and gaze off to one side, Adele, compared to the classical representations on Greek vases, wears the robes of Mnemosyne well. With dignified severity she seems to challenge the agitation around her. Yet in a place such as Grutas there is a subtle dividing line between a contemplation that provides tranquility and insight, and a painful memory that clutches and paralyzes thought and pricks the conscience. Perhaps they are also Mnemosyne’s mosquitoes, who won’t be shaken off and chased away, but stubbornly persist in their purpose certain that they always win in the end. The Grutas mosquitoes know no pause. Anyone seeking to get rid of them risks attracting them instead. “I don’t know what has happened to the flies today: they are simply rabid,” said a soldier in the play Les Mouches (The Flies) by that lover of the Erynies Jean-Paul Sartre. A second soldier replies: “I don’t even dare yawn anymore, I’m so afraid they’ll fall into my mouth and start a dance at the bottom of my throat.” 2

The Flies
A dance at the bottom of one’s throat, this seems to be the buzzing Nippoldt has inserted in her film, a synthetic sound that could easily come from the London club scene. Captured sounds, later to be released in unreal situations, are Nippoldt’s specialty (in her video “Bloop,” 2004, it is the primitive murmur of the seas, confusing sound and senses; in “wy o ming,” 2002, the theme from "Dances With Wolves", suddenly accompanies the image of the treetops speeding by outside the train window). Actually the noise comes from a single fly trapped in a glass with a microphone. If the purpose of philosophy since Wittgenstein consists of showing the fly the way out of the glass, we might say that art should show the way back in.
Nippoldt’s work is intriguing and intricate. As the visual sensation is reduced, the off-screen voices, captured sounds and multifaceted noises emerge more joyfully. Below the threshold of the visible the sonorous begins to capture the spectator’s imagination. Even minimal artistic intervention is extremely risky in a place that emanates such a profound ambivalence as Grutas, a place where the desire for mise-en-scène, pedagogical Eros and historical baggage result in contrasting interests, and in which nature and aesthetics finally reverse their roles, so that aesthetics become natural and nature ideological. Nippoldt moves with caution and courage across this semantically, aesthetically, and politically mined terrain. How does she create meaning where everything is already hyper-encoded? Nippoldt’s dramaturgy furtively insinuates uncertainty and destabilization. All three works begin like a simple documentation of facts, but the genre gets out of hand. What should stay in the background suddenly comes to the fore: at times it is the posing of passers-by, other times the invasiveness of the mosquitoes, other times the irrefutable attack of involuntary memory (visual and acoustic). Nippoldt flirts with the inevitable and launches an open-ended conclusion, an uncertainty in an age of superlatives, so emptied of every utopia that a new ideology emerges: He or she who is constantly searching may be… what? saved?! 3

1 Karl Marx and Friedrich Engels, The German Ideology, Critique of Modern German Philosophy According to Its Representatives Feuerbach, B. Bauer and Stirner, and of German Socialism According to Its Various Prophets.
2 Jean-Paul Sartre, Les Mouches (The Flies)
3 paraphrasing Goethe, Faust, 2nd Part, Act V, 11936/7
[6楼] 黑又亮 2010-05-09 01:48:32


[7楼] 黑又亮 2010-05-09 01:49:04


[8楼] 黑又亮 2010-05-09 01:49:53




Fog on Nov 2
web cam/ video animation on 16 mm film, 16.12 min
ed. 3 + 2 AP

Während die Weltöffentlichkeit die amerikanischen Präsidentschaftswahlen über Fernsehsatelliten verfolgte, richtete die Künstlerin während eines Stipendienaufenthaltes in Paris ihren Blick von ihrem Atelier aus auf die Webcam-Aufnahmen des Mount St. Helen an der Westküste des amerikanischen Kontinents. Diese aus dem Internet empfangenen Bilder, entfalten in Erwartung der vorhergesagten Eruption des Vulkans, eine merkwürdige Melancholie. Diese Wirkung überrascht, da man eine solche sublime Bildintensität eher mit der Malerei vergangener Jahrhunderte verbindet, als mit den Medienimpressionen einer Live-Schaltung aus dem Internet.


While the general public was following the presidential elections over satellite TV, the artist directed her view from within her studio during a fellowship in Paris to the Webcam-documentation of Mount St. Helen at the west coast of the American continent. These images, received from the Internet, developed a remarkable melancholy in anticipation of the predicted volcano eruption. This effect might take us by surprise as such a sublime intensity of images is commonly rather attributed to paintings of the passed centuries than to the live-feed media impressions coming from the Internet.


exerpt from Sight Seeing, by Ursula Frohne & Christian Katti
[9楼] 黑又亮 2010-05-09 01:51:47




Mawson
video on DVD, 1.20 min, 4:3, stereo, 2006
ed. 7 + 2 AP
[10楼] 黑又亮 2010-05-09 01:53:35


[11楼] 黑又亮 2010-05-09 01:54:07


[12楼] 黑又亮 2010-05-09 01:54:47




Limbo
video on DVD, 16:9, 9.15 min, 2005
ed. 7 + 2 AP

Cümbüs: Christopher Trapani

Limbo. Auf der Suche nach der verlorenen Zeit. Stefanie Böttcher

Wir blicken auf ein schwarzes Bild und vernehmen sanft säuselnden Wind. Der Wind schwillt zu einem Rauschen an, während sich ein unscharfer Gebäudeausschnitt abzeichnet. Die Kamera wird arretiert und scharf gestellt. Mittlerweile hat sich der Wind zu einem Heulen gesteigert, auf das wenig später Klänge eines Zupfinstrumentes treffen. Die Kamera gibt den Blick auf die Dachterrasse eines mit Davidsternen verzierten Gebäudes frei. Vier Männer – Security-Personal – haben auf der Terrasse Stellung bezogen und scheinen auf ihren Einsatz zu warten. Dabei bleibt das Zentrum ihrer Aufmerksamkeit unterhalb des Bildausschnitts verborgen. Nach einem vieldeutigen Blick Richtung Kamera wenden sich die Wächter wieder ihrer Aufgabe zu, dem Beobachten des Gebäudes. Zum Zeitvertreib unterhalten sie sich, gestikulieren, wandern auf dem Dach hin und her, sie schlagen die Zeit tot. Limbo (von lat. Rand, Saum) bezeichnet neben dem bekannten Partytanz einen Schwebezustand, eine ungeklärte, unsichere Situation, einen nebulös-mystischen Bereich des Verborgenen. So wandern die Seelen in den Limbus, bevor sie ins Paradies oder die Hölle Einlass finden. Bei Astrid Nippoldt drückt sich der Limbo durch den Schwebezustand vor einem möglichen Einsatz der Sicherheitskräfte aus. Die Künstlerin dokumentiert die Alltäglichkeit, mit der dieser Zeitspanne begegnet wird, und stilisiert die Situation gleichzeitig zu einem slapstickartigen Stummfilm, der durch die Gegenüberstellung von Respekt einflößendem Security-Personal und dessen lapidaren Aktionen zum Zeitvertreib eine humoreske Note erhält. Gesteigert wird dieser Eindruck durch den eingesetzten Zeitraffer, der sämtliche Bewegungen stakkatoartig werden und die Männer Pinguinen nicht unähnlich erscheinen lässt. Zum anderen wird die Szenerie von den Klängen der Cümbüs, einem orientalischen Saiteninstrument, untermalt. Die Tonfolgen sind von dem amerikanischen Musiker Christopher Trapani improvisiert und umspielen die Szene episodenhaft, reagieren bisweilen aber auch direkt auf die Handlungen der Beteiligten, ebenso verhält es sich mit der Beziehung zwischen Bewegung und Schnitt. Musik und Ort gehen in Limbo eine eigentümliche Symbiose ein, werden doch unterschiedliche Kulturzitate, die normalerweise unvereinbar erscheinen, miteinander verknüpft: auf die jüdische Gedenkstätte in Paris trifft das orientalische Zupfinstrument, das bisweilen sogar countryartige Melodien spielt. Die Dramaturgie der Videoarbeit lässt sich in drei Teile gliedern. Zunächst beziehen die Männer ihren Posten, nehmen Stellung ein, was durch tremolohafte, einzeln gespielte Tonfolgen kommentiert wird. Im Hauptteil werden die Bewegungen der Männer und der Musik lebhafter, dabei wird insbesondere durch die oft abwartenden, lauernden Klänge der Cümbüs ein Spannungsbogen aufgebaut. Das Zeichen zum Aufbruch und das heitere bis übermütige Aufspielen der Cümbüs leiten zum Schlussteil über. Doch die gelöste Stimmung kippt – nach dem Abgang der Männer ziehen schwarze, Unheil kündende Wolkenformationen auf, die an ein Unwetter oder gar eine Feuerbrunst erinnern, der Endakkord der Cümbüs, ein Schlag auf die Kamera, das Bild wird dunkel und etwas fällt zu Boden.
[13楼] 黑又亮 2010-05-09 01:56:30


[14楼] 黑又亮 2010-05-09 01:57:09


[15楼] 黑又亮 2010-05-09 01:57:58




Do you mind
4 questions
adhesive letters on a public Roland statue in Riga/Latvia

„Do you mind“. Eine sprachliche Intervention im Stadtraum. (Frauke Ellßel)

Bei ihren Recherchestreifzügen in Riga entdeckte Astrid Nippoldt eine Statue der Roland-Figur. Bemerkenswert erschien ihr das Fehlen einer Hinweistafel, die seine historische Potenz erwähnt. In die Leerstelle fügt sie eine Ergänzung ein und lässt das Denkmal in Dialog mit seiner Umgebung treten. Vier Fragen montiert sie auf den Sockel: „Do you mind if I freeze“, „Do you mind if I spit“, „Do you mind if I cheat“ und „Do you mind if I quit“. Inhaltlich changieren sie zwischen Schabernack und Suizid, Frechheit und Mitleid. Formal werden sie durch den phonetischen Rhythmus, der die Fragen nach einem Kinderreim klingen lässt, beinahe allzu selbst-verständlich zusammen gehalten. Dabei bleibt offen, wer eigentlich fragt und wer befragt wird. Sind die Fragen dem Roland in den Mund gelegt, als Herausforderung gegenüber den Politikern im Rathaus, den Bürgern und Besuchern der Stadt? In welchem Zusammenhang stehen sie zum Denkmal als Zeichen staatlicher Repräsentation und als Ausdruck bürgerlichen Selbstverständnisses? Fordern die Sätze die Passanten zur aktiven Anteilnahme heraus, oder sind sie vielmehr nur ein weiterer Slogan, der sich in die Oberfläche unserer Umwelt einfügt, sozusagen unsichtbar wird? Die Arbeit nutzt den Sockel als Basis einer vielschichtigen Anordnung und als Projektionsfläche eines denkbaren Dialogs zwischen Passant und Denkmal, Staat und Individuum, oberflächlicher Beschriftung und innerer Einschreibung und nicht zuletzt zwischen künstlerischem Eingriff und öffentlichem Raum.


„Do you mind.“ A Linguistic Intervention in an Urban Space (Frauke Ellßel)

While on an investigative walk through Riga, Astrid Nippoldt discovered a statue of the Roland. It seemed to her that a plaque giving information about its historical meaning was missing. Nippoldt filled this gap, entering the memorial into a dialogue with its environs. She placed letters on each side of the statue’s base forming four questions: „Do you mind if I freeze“, „Do you mind if I spit“, „Do you mind if I cheat“ and „Do you mind if I quit“. The phrases shift in meaning from pranks to suicide, from insolence to empathy. Formally, they hold together, almost too naturally, by their phonetic rhythm that rings of a children’s rhyme. But what remains open is who is doing the questioning and who is being asked? Are the questions coming from Roland’s mouth, as a challenge to the politicians at the city hall, to the citizens or the visitors to the city? How do they relate to the memorial’s symbolic character of stately representation and expression of citizen self-confidence? Are the sentences meant to challenge the by-passers to be interactive or are they just another slogan engraved in the superficial realm of our environment, essentially invisible? The work uses the foundation of the statue as a basis for multidimensional instructions, and as a projected surface for a possible dialogue between by-passers and the memorial, the state and individual, superficial script and inner engravings, and not least of which being between artistic intervention and public spaces.
[16楼] 黑又亮 2010-05-09 01:59:24


[17楼] 黑又亮 2010-05-09 02:00:05


[18楼] 黑又亮 2010-05-09 02:00:56




Afrika
video on DVD, 3.05 min, 2005
ed. 7 + 2 AP

A person struggles hard to pass a snowy hill. Her green umbrella reminds us of elegant ladies who are promenading in impressionistic paintings or in early filmic images. But natural circumstances hinder the protagonist from moving properly and her appearance turns to the chaplinesque.


[19楼] 黑又亮 2010-05-09 02:03:05


[20楼] 黑又亮 2010-05-09 02:03:43


[21楼] 黑又亮 2010-05-09 02:04:37




Prolog
video on DVD, 1.00 min, 2005
ed. 12 + 2 AP

distributed by the Künstlerhaus Bremen

In 45 seconds the video shows the genesis of the world, beginning with a light explosion and culminating in the 21st century, filmed in one shot at the World Trump Tower, NYC.


Undeutlich erscheint ein Gesicht für einen kurzen Moment vor der Kamera: ein Hauch und gleißendes Licht. Umgeben von einem dumpfen Rauschen, wartet man gespannt auf die Erscheinung hinter dem kleiner werdenden Lichtoval, das einem fremden Sonnensystem gleicht. Das Rauschen ebbt ab, ein rhythmisches Ticken setzt ein. Begleitet von einem unheilvollen, spannungsgeladenen Ton, taucht aus der Dunkelheit eine blendende Lichtquelle auf. Nach und nach verschwindet das Licht und eine unwirkliche Szenerie wird sichtbar, erleuchtet durch eine Reihe von Glühbirnen, über denen ein bläulicher Schriftzug thront: WORLD. Erst einsetzende Straßengeräusche und sich schnell entfernende Schritte lassen den Betrachter den Weg zurück in seine eigene Welt finden. Maren Waike
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